Sonntag, 13. November 2016

Rückblick und Dankeschön

Hallo an alle fleißigen Leser*innen.

Es sind jetzt schon einige Wochen vergangen, seit wir aus Kanada zurückgekehrt sind und uns wieder dem deutschen Alltag stellen mussten. Es ist uns nicht leicht gefallen, diese Erfahrung hinter uns zu lassen und demzufolge war es auch sehr schwer, einen zusammenfassenden Abschlussbeitrag zu schreiben. Wir haben so viel gesehen und erlebt, gelernt und verstanden. Jede Reise verändert einen Menschen ein klein wenig, jede Erfahrung macht uns reicher. Wir sind nicht mehr die selben Menschen, die wir vor dieser Reise waren. Erfahrungen, Erlebnisse, Erkenntnisse, Ideen und Vorstellungen haben uns geprägt und verändert. Gemeinsam möchte ich heute auf die Reise zurückblicken und besondere Ereignisse mit euch teilen.

Am 18.09. verbrachten wir unseren ersten Tag in Kanda gemeinsam als Gruppe und besuchten die Niagarafälle. Auch wenn wir uns das Ganze natürlicher vorgestellt hatten, beeindruckten die gewaltigen Wasserfälle an der Grenze zwischen dem kanadischen Ontario und US-amerikanischen Bundesstaat New York. Die Niagarafälle bestehen aus den American Falls, Bridal Veil Falls und Horseshoe Falls.

Niagara Falls

Horseshoe Falls

American Falls

Das Schauspiel wurde natürlich mit Tim Horton's Donuts genossen. (Unnützes Wissen: Entgegen der Vermutung einiger Teilnehmer*innen wurden weder Anne noch ich von Tim Horton's gesponsort.) Während einige umher spazierten und die nähere Umgebung der Niagarafälle erkundeten, setzten sich andere gemütlich mit einem Kaffee an die Seite und versuchten zwischen den Tourist*innenmassen hindurch ein paar Blicke auf die Wasserfälle zu erhaschen. Denn die Fotos trügen: Selbstverständlich war die gesamte Umgebung voller Menschen.
Nachdem wir uns sattgesehen hatten, ging es mit den Autos wieder zurück nach Toronto, wo wir abends gemeinsam in einem indischen Restaurant aßen und über die kommende Woche, Pläne und unsere Erwartungen sprachen.
Die einzelnen Tage und was wir erlebt und gesehen haben, könnt ihr im Detail nochmal in den vergangenen Blogeinträgen nachlesen. In der ersten Woche waren für mich das Treffen mit Kathryn Underwood am Montag, der Besuch der ALPHA Alternative Junior School und das Treffen mit Jack Pearpoint nachhaltig beeindruckend.


In der ALPHA Junior School
Direktorin der ALPHA Junior School, Miriam Zachariah

Action Reflection mit "Besuch"

Im Gespräch mit Jack Pearpoint

Schulbus

Toronto an sich ist eine beeindruckende und facettenreiche Stadt. Wolkenkratzer geben einem das Gefühl, sehr klein zu sein und in Chinatown fühlt man sich plötzlich auf einen anderen Kontinent versetzt (pun intended).

Anne in Chinatown

Toronto Skyline

Zurück nach Toronto

Nach diesem Großstadterlebnis und den mit Ereignissen und Besichtigungen gefüllten Tagen war der Aufenthalt in New Brunswick Kontrastprogramm. Den ersten Tag verbrachten wir fast komplett im Departement of Education & Early Childhood Developement, wie in diesem Blogeintrag beschrieben. Besonders der Umgang mit Newcomern / New Canadians, über den gesprochen wurde, hat mich tief bewegt und aufgewühlt. Kanada scheint hier wirklich eine Vorbildrolle zu spielen. Besonders in Betracht der jüngsten politischen Ereignisse - ich denke hierbei besonders an die Wahl in den USA mit dem überraschenden Ergebnis - herrscht hier eine ganz andere Atmosphäre, wie mit der Thematik umgegangen wird. In Zukunft wird sich Deutschland da hoffentlich mehr den kanadischen Weg zum Vorbild nehmen.
Im Fundy National Park konnten wir uns zwei Tage lang entspannen, was alle sichtbar brauchten und genossen.

Frühstück im Fundy National Park

Besichtigung der Hopewell Rocks

Tamara

Vor dem Baden

Anne und Johanna

nochmal Frühstücken im Fundy National Park
Die Dozenten

Die Zeit nach dem Fundy National Park war nicht weniger ereignisreich und anstrengend als die Zeit davor. Als besonders berührend empfand ich die Lesung von Danielle Loranger aus ihrem Buch Une êtoile sur la dune. Die Schulen, die wir besuchten, waren ebenfalls sehr interessant, jedoch nüchtern betrachtet, nicht so 100%ig inklusiv, wie wir es uns vielleicht vorgestellt und erhofft hatten. Kanada ist uns in puncto Inklusion auf jeden Fall um einiges Vorraus, jedoch noch weit entfernt von einem perfekten inklusiven Schulsystem. Jedoch sind wir nicht in der Position, um zu richten und es liegt uns fern, von unserem Standpunkt aus zu kritisieren. Wir nehmen diese Erfahrungen gestärkt und ermutigt mit, etwas zu verändern.

Im Kouchibouguac-Nationalpark

Max, Johanna, Annette und Sabrina

im Parenting Center

Karolina

Kouchibouguac-Nationalpark


Nach dem Vortrag von David, Robert & Andreas

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Dankeschön.


Wir möchten uns noch einmal von ganzem Herzen bei all unseren Leser*innen bedanken. Ohne euch wäre dieser Blog sinnlos gewesen.
Ein besonderer Dank soll an dieser Stelle an die Leitung des Projektes gehen. Lieber Robert, lieber David, vielen Dank für die wunderschöne Exkursion und die unvergesslichen Erlebnisse, die ihr uns ermöglicht habt. Dankeschön für euer Organisationstalent, die viele Arbeit und Hartnäckigkeit, die ihr vor der Reise, aber auch vor Ort an den Tag gelegt habt und ohne die diese Exkursion nicht zu so einer unvergesslichen Erfahrung geworden wäre.
Vielen Dank auch für eure Gelassenheit und witzige und freundliche Art, für eure Offenheit und Unterstützung bei allen Problemen.
Vielen Dank auch an alle unsere Sponsor*innen, die diese Reise ermöglicht haben! In der Navigationsleise rechts könnt ihr nochmal sehen, wer uns unterstützt hat und den Seiten einen Besuch abstatten.
Wir haben diesen Blog mit viel Freude geführt und verabschieden uns vorerst von euch.

Euer Blogteam
Annekat, Annika & Cynthia

Montag, 3. Oktober 2016

Die letzten Tage

Mehr oder weniger ausgeschlafen und mit einer leicht melancholischen Stimmung starteten wir am 30.09. in unseren letzten aktiven Tag in Kanada. Auf dem Programm des heutigen Tages stand neben dem erneuten Besuch dreier verschiedener Schulen und einem Vortrag an der University of New Brunswick lediglich unser Abschiedsdinner. Wir besuchten folgende Schulen:


Park Street Elementary School

Eine der drei Gruppen begab sich in die Park Street Elementary School, in der Schüler*innen vom Kindergarten bis zur Klasse fünf unterrichtet werden.


Dort wurden wir zuerst kurz vom Schulleiter der Schule, der erst seit Beginn des aktuellen Schuljahres an der Schule tätig ist, begrüßt. Da zwischen 10 und 11 Uhr eine Rede der Regierung der Provinz New Brunswick in der Grundschule stattfand, führte uns dann jedoch nicht der Schulleiter, sondern eine Lehrerin durch die Schule. Wir hatten die Möglichkeit, zu beschreiben, was wir an der Schule beobachten wollen und einige Fragen zur Schule allgemein zu stellen. Nachdem wir noch mit den Ressource teacher bekannt gemacht wurden und auch dort Fragen stellen konnten, teilten wir uns in Zweiergruppen auf und begaben uns in verschiedene Klassenräume. Dort bekamen wir einen für uns besonderen Mathematikunterricht zu sehen. In der Park Street School haben Kinder aus aus den Klassenstufen eins bis fünf, die auf dem gleichen Leistungsstand sind, unter anderem zusammen Mathematikunterricht. Dafür schreiben die Kinder in regelmäßigen Abständen Tests, damit die Lehrer*innen sie in diese Leistungsstufen einteilen können.  Somit werden zum Beispiel Schüler*innen aus der zweiten zusammen mit Schüler*innen aus der dritten und fünften Klasse im Stoff aus der dritten Klassenstufe unterrichtet. Es ist jederzeit möglich, dass die Kinder in eine höhere oder tiefere Leistungsstufe wechseln, wenn die Lehrperson der Meinung ist, dass das Kind über- oder unterfordert ist. Die Schüler*innen wissen jedoch nicht selbst, in welchem Level sie sind. Ein weiteres spezielles Programm der Schule sind die Unterrichtsstunden, die von werdenden Krankenschwestern gehalten werden. Ziel ist, dass sich die Kinder mit einer ausgeglichenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise auseinandersetzen.
Ein demokratisches Element an der Schule war die gerade anstehende Wahl zur/zum Schulsprecher*in



Zwischendurch hatten wir die einmalige Chance uns eine Rede des Bildungsministers Brian Kenny und des Ministerpräsidents Brian Gallant anzuhören, die die Park Street Elementary School ausgewählt haben, um bekannt zu geben, dass das Französisch-Immersions-Programm ab September 2017 schon ab der ersten Klasse beginnt. Die Schüler*innen, die zu Hause kein Französisch sprechen, sollen so die Sprache in der Schule lernen und auch es sollen auch manche Unterrichtsstunden in Französisch gehalten werden. Da es sich um eine Bekanntgabe für die ganze Provinz handelte, war auch ein großes Kamerateam anwesend.
Anschließend besuchten wir weitere Klassen und versuchten unsere restlichen Fragen mithilfe einer Gesprächsrunde mit einer der beiden Ressource Teacher und später auch dem Schulleiter zu klären. In diesem Gespräch erfuhren wir unter anderem von einem Raum, in dem Kindern durch eine chinesische Lehrerin und mit Hilfe von Telefonkonferenzen die chinesische Kultur näher gebracht werden.


 

Als früheste Gruppe begaben wir uns gegen 6.45Uhr auf den Weg zur Gagetown Schule. Es handelt sich hierbei um eine Einrichtung von Kindergarten bis Klasse acht. Trotz dieser breiten Altersspanne handelte es sich allerdings um eine sehr kleine Schule mit lediglich 91 Schüler*innen. Nach einer herzlichen Begrüßung durch die Schulleiterin und  der Elternratsvorsitzenden wohnten wir der individuellen Begrüßung der Schüler*innen bei. Jedes Kind wurde persönlich begrüßt und mit jedem wurden 1-2 Seite gewechselt. Anschließend bekamen wir eine Führung durch die Schule, die auf Grund der kleinen Größe (höchstens 12 Klassenzimmer mit Bibliothek, Küche und Waschräume) ziemlich kurz ausfiel. Die verschiedenen Klassen werden meist zusammen unterrichtet. Viele Räume waren deshalb leer, während wir Zeit für die Hospitationen hatten.
Am beeindruckendsten fand ich eine Boogey-Woogey (Quiggly-Squiggly-)Phase. Während dieser Phase beobachteten wir die Schüler*innen dabei, wie sie zu einer Musik, in diesem Fall "I like to move it", ihre Energien beim Tanzen und Herumalbern herauslassen konnten. Von so viel Tatendrang, Freude und Energie angesteckt konnten auch wir nicht ruhig sitzen bleiben. Eine Auffälligkeit an der Schule war die starke Präsenz, regelrechte Dominanz der Schulleitung. Für sie stand das Einhalten der Regeln und das Zeigen von Respekt im Mittelpunkt der Führung. Das äußerte sich durch Kommentare, aber auch in der Umgangsweise mit den Schüler*innen und den ausgehängten Zetteln.
Wir konnten beispielsweise beobachten, wie ein Junge "zu schnell" über den Flur lief und harsch von der Schulleitung zurück gerufen wurde. Er musste sich entschuldigen und nochmals langsam weggehen. Ein anderer Schüler wurde im Unterricht (trotz Meldung anderer Schüler*innen) aufgefordert und trotz korrekter Aussage mit "Get involved, Mister!" zurecht gewiesen. Ein anderer Schüler, der eine Frage falsch beantwortete, die die Lehrperson wohl schon beantwortet hätte, bekam den Hinweis er wäre doch schließlich ein Mensch und kein Tier, könne demzugolge auch zuhören und mitdenken.
 Nachdem der Lehrer dann die richtige Antwort gab, pfiff er und sagte "Line up and calm down!" und die Schüler*innen stellten sich in einer Linie an der Tür auf. Das Prinzip des Aufstellens in einer Linie zeigte sich auch beim Verlassen und Betreten des Schulhauses zur Pause. Hierbei gab die Schulleitung die Anweisungen. Beim Hineingehen in die Schule am Ende der Pause mussten alle Schüler*innen "like a soldier" (gerade, Blick nach vorne gerichtet, Hände an die Seite, an einer auf dem Boden eingezeichneten Linien) in zwei Reihen stehen und lächeln, erst dann durften sie geordnet und in Klassenstufen eingeteilt das Gebäude betreten. Nach weiteren Besuchen der Klassen bekamen wir zur Mittagszeit die freundliche Einladung zu einer Stadtführung, um das Zuhause einiger Schüler*innen kennenzulernen. Anschließend wurden wir zu einer Lehrerin nach Hause zum Essen eingeladen. Hier trafen wir auf fast alle Lehrer*innen der Schule und hatten die Möglichkeit, wissenschaftliche und private Gespräche zu führen.






Nach viel zu kurzer Zeit begaben wir uns schließlich auf den Weg zur Universität von New Brunswick.
An der Universität hörten wir einen Vortrag von Alan Sears, der eher einer Diskussion glich. Hierbei erhielten wir noch einmal einen Einblick in Inklusion und Heterogenität in New Brunswick. Wir diskutierten die Situation der indigenen Bevölkerung, Home Schooling, das morgendliche Singen der kanadischen Nationalhymne aber auch die Situation von "Newcomern"* in den Schulen.
Dadurch bot sich uns die Möglichkeit gesammelte Fragen und Auffälligkeiten der letzten Tage noch einmal aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu beleuchten. Vor allem die Reflektiertheit Alan Sears diente damit zu einer Erkenntnisserweiterung.



Schließlich hatten wir nochmal einige Stunden Freizeit, ehe wir uns gegen 20 Uhr trafen, um gemeinsam Essen zu gehen. Dort angekommen fiel uns auf, dass auf Grund der Raumaufteilung die geplante Gruppenreflexion eher schwierig sein würde - dennoch versuchten wir in zwei Gruppen, das Beste daraus zu machen.


Leider schloss das Restaurant bereits um 22 Uhr, weshalb wir den Austausch unterbrechen und zurück ins Hotel fahren mussten. Dort eingetroffen versammelten wir uns auf dem Boden des Fitnessraums und brachten die Reflexion, wenn auch in dezidierterer Form, und mit einer "Warmen Dusche" zu Ende. Dabei handelt es sich um eine Technik, bei der jede*r einen Zettel an den Rücken geklebt bekommt, auf den jede*r etwas Nettes über die jeweils anderen schreiben kann. 
Die letzten Stunden nutzten wir dann schließlich auf verschiedene Weisen, sei es bei einem angeregten Austausch über die Erfahrungen der Exkursion, dem Besuch eines Clubs oder dem direkten Schlafengehen.


Nach nur wenigen Stunden Schlaf brachen wir, nach dem Frühstück am 01.10., gen Heimat auf. In Fredericton am Flughafen angekommen, säuberten wir die Mietwagen und gaben sie ab, ehe wir eincheckten und unser langer Tag auf den Flughäfen und in den Flugzeugen begann. Wie auch bei der Hinreise flogen wir dieses mal von Fredericton nach Toronto, von Toronto nach Frankfurt und letztlich dann von Frankfurt nach Leipzig. Müde, ausgelaugt und vor allem heil am 02.10. um 10.30 Uhr in Leipzig angekommen, verabschiedeten wir uns ausführlich als Gruppe, ehe wir uns mit Freude in die Arme unsere Liebsten begaben.


Cynthia & Annika

* Bei "Newcomern" oder auch "New Canadians" handelt es sich um den in Kanada üblichen Begriff für Geflüchtet.

"children are a blessing and a gift from the lord" ?

Am 29. September besuchte ich das erste mal in dieser Woche statt einer Schule ein Early Childhood Center - also einen Kindergarten - in der Nähe von Woodstock. Angie's little peeps ist in einem Wohnhaus außerhalb des Ortes angelegt. Ohne ein Auto stelle ich es mir sehr schwer vor, dort hinzu gelangen. Der Kindergarten ist so aufgebaut, dass die verschiedenen Räume jeweils für Kinder verschiedener Altersstufen gedacht sind. Dabei gibt es einen Raum für Babies, für 1-Jährige, 2-3-Jährige, 4-5-Jährige sowie im Untergeschoss einen Raum für die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern. Des Weiteren gibt es noch einen Garten, in dem die Kinder selbst Gemüse anbauen können und - meine Lieblingsstelle - ein "Waldklassenzimmer". Dafür wurde im (zehn Meter entfernten) Wäldchen ein "Raum" mit Tischgruppen, Spielküche und anderen Spielsachen eingerichtet.


Angie's Little Peeps orientiert sich an verschiedenen pädagogischen Konzepten. Ähnlich wie in der Waldorfpädagogik wird hier viel auf Holzspielzeug und die Fantasie der Kinder beim Spielen gesetzt, jedoch findet man in den Räumen durchaus auch Spielzeug aus Plastik. In der Gruppe der 4-5-Jährigen, in der ich mich hauptsächlich aufgehalten habe, wurde zum Großteil der Zeit frei gespielt. Es war interessant und schön zu beobachten, wie hierbei die Kinder miteinander umgehen. Zwischenzeitlich gab es dann Vorschulelemente, in denen das Alphabet vorwärts und rückwärts (das meine ich wortwörtlich) gelernt wurde, Wörter mit "D" gesucht und Geburtstage einstudiert wurden. Angie's Little Peeps ist somit ein schöner, aber doch nach unseren Erfahrungen recht "normaler", bzw. "durchschnittlicher" Kindergarten.




Woodstock High School


Unser Teil der Exkursionsgruppe besuchte die Woodstock High School. Diese Public School wird von knapp 600 Schüler*innen in den Klassenstufen neun bis zwölf besucht. Die Schule ist englischsprachig orientiert, besitzt aber, wie bereits viele andere Schulen der letzten Tage, ein French-Immersion- Programm, bei dem Kurse auf Französisch gehalten werden. In der Schule wurden wir herzlich durch sieben verschiedene Lehrpersonen empfangen. Darunter waren zwei Ressource teacher, der Stellvertretende Schulleiter und ein Lehrer, welcher sich vor allem um die First-Nation-Schüler kümmert. Nach der Begrüßung hatten wir mit allen ein sehr intensives Gespräch. Zur Sprache kamen neben der Organisation der Schule und deren Umgang mit Heterogenität und Inklusion (welche nicht von dem Umgang der meisten bisher besuchten Schulen in New Brunswick abweicht), vor allem auch die Probleme, mit denen die Schule zu kämpfen hat. Zu den Problemen zählten eine Zunahme des Schulabsentismus, vermehrtes Mobbing, der Abfall der Schülerzahlen und finanzielle Schwierigkeiten. Nachdem wir all unsere offenen Fragen los geworden waren, begaben wir uns in drei Kleingruppen geteilt, von jeweils zwei Angestellte der Schule begleitet, durch die Schule. Hier hatten wir die Möglichkeit verschiedenen Unterrichtssequenzen beizuwohnen, wie beispielsweise einem Sozialkundeunterricht, in welchem Romeo und Julia besprochen wurde, dem Musikunterricht, in dem für ein anstehendes Konzert geprobt wurde oder einem Matheunterricht für Schüler*innen welche weitere Lernförderung benötigen. Während der Hospitationen hatten wir stets die Möglichkeit auftretende Fragen an unsere Begleiter*innen, die Lehrer* innen oder Schüler*innen zu stellen oder Gesehenes zu besprechen. Besonders intensive Gespräche ergaben sich auf der einen Seite mit dem resource teacher, welche uns einen ausführlichen Einblick in die personal learning plans gab und auf der anderen Seite mit zwei der Lehrerinnen, welche sich um die Inklusion und Unterstützung der first-nation-students kümmern.


 


 

Durch diese beiden Lehrerinnen wurde schließlich zur Lunchtime ein Kontakt zum educational director hergestellt. Von unserem Interesse fasziniert, bekamen wir direkt das Angebot, sie persönlich zu treffen. Ihr Aufgabengebiet umfasst vor allem die Belange der indigenen Schüler*innen sowie deren Eltern und Lehrer*innen. Die einmalige Chance nutzend, begaben wir uns auf die zehn minütige Fahrt in die Community. In dem Jungend- und Trainingszentrum erhielten wir dann weitere Einblicke in das Leben der indigenen Bevölkerung und die Probleme mit denen sie täglich konfrontiert werden. Es war sehr beeindruckend, diese Informationen aus erster Hand zu bekommen.




 
Nach den Schul- bzw. Kindergartenbesuchen traf sich die Gruppe wieder, um nach Fredericton zu fahren - der erste und letzte Ort in New Brunswick für uns. Dort trafen wir uns um 14 Uhr mit Scott, der über Jobs Unlimited eine Arbeitsstelle in einem Hotel gefunden hat und uns seinen Arbeitsalltag vorstellte. Bei Jobs Unlimited handelt es sich um eine Organisation, die Menschen unterstützt, die wegen einer Beeinträchtigung oder aus anderen Gründen keine Arbeitsstelle finden. Sie helfen Ihnen, Jobs zu finden die zu ihren Interessen und Fähigkeiten passen und hilft ihnen durch individuelle Trainer*innen bei der Einarbeitung, wenn nötig.

Nachmittags hatte die gesamte Gruppe nochmal Freizeit, um sich in Fredericton umzusehen. Wir nutzten die Zeit um den Secondhand-Laden, der uns über Jobs Unlimited vorgestellt wurde, zu durchstöbern.

Abends besuchte uns Rod Cumberland, der Präsident von "Home Educators of New Brunswick" im unserem Hotel, um mit uns über Homeschooling zu sprechen.
Ganz im Gegensatz zu unserem vorherigen Treffen zum Thema Schulunterricht zu Hause, konnte uns Rod durch seine charismatische Art und Kritikfähigkeit dazu bringen, das Thema nochmal anders zu betrachten und ernsthaft darüber als Alternative zum traditionellen Schulsystem nachzudenken. Weiterhin skeptisch muss man dennoch sein, da einer der Hauptursachen für das Homeschooling religiöse Gründe sind und ein sehr traditionelles (diskriminierendes) Frauenbild unterstützt wird. Häufig bleiben die Frauen zu Hause und unterrichten die Kinder, während die Väter arbeiten - finanziell unterstützt wird das Homeschooling in Kanada nicht, wodurch wenigstens ein Einkommen notwendig ist - somit ist das Konzept für alleinerziehende Elternteile eine Sache der Unmöglichkeit. Home Educators Of New Brunswick ist auf dem Glauben gestützt und richtet sich nach der Bibel, was ich, vorsichtig ausgedrückt, schwierig finde.
Sehr enttäuscht bin ich im Nachhinein von der mangelnden Toleranz der Organisation gegenüber LGBQIT* people. Auf mein Nachfragen hin, wie er persönlich und auch HENB dazu stehen würde, meinte Rod er würde nicht über (beispielsweise) homosexuelle Paare richten und sie tolerieren, solange sie die "christliche Nächstenliebe" leben würden. Auf der Internetseite steht jedoch eindeutig: "We Understand: “Family” to mean a male and female parent, legally married (Genesis 1:26-28), although we recognize the exceptions of a single parent, adopted, foster, and step children (James 1:27)." Gleichgeschlechtliche Elternteile sind hier also ausdrücklich ausgeschlossen.

Schade, es wäre zu schön gewesen. 

Annekat

*LGBQIT - Lesbian, Gay, Bi, Queer, Inter, Trans - sprich, alle Menschen, die nicht den heteronormativen Vorstellungen unserer Gesellschaft entsprechen.

Freitag, 30. September 2016

Ensemble, tout est possible!

Am Mittwoch, den 28.09., besuchten wir erneut in Gruppen aufgeteilt drei verschiedene Schulen. Unsere Erlebnisse möchten wir euch, wie auch im vorherigen Post, kurz vorstellen.


Die High School Marie-Esther umfasst 480 Schüler*innen der Jahrgänge neun bis zwölf. Die Lage der Schule, war dafür verantwortlich, dass wir uns viel zeitiger, als die anderen Gruppen auf eine fast zwei stündige Fahrt nach Shippigan begaben. Da uns die Schule jedoch als die Schule mit der inklusivsten Schulleiterin empfohlen wurde, nahmen wir den Weg gerne auf uns. In der Schule angekommen wurden wir von der der charismatischen und visionären Direktorin empfangen. Nach einer Vorstellung der Schule, deren Organisation und einer kurzen Fragerunde gab sie  uns eine Führung durch das Schulgebäude. Anschließend hatten wir, bis zur Lunchtime, Zeit uns frei in der Schule zu bewegen, verschiedene Unterrichtssituationen zu hospitieren und intensive Gespräche mit den unterschiedlichen Mitarbeiter*innen der Schule zu führen.  Auffällig war, neben der sehr interessierten und engagierten Schulleitung, dass sich diese Einstellung in den Gesprächen mit fast allen Lehrer*innen ebenfalls zeigte. Besonders sei hier eine der drei resource teacher zu erwähnen. Großer Wert wurde auf die Teamarbeit, sowohl unter den leadern der fünf verschiedenen Departements und den verschiedenen Lehrern (assistent teacher, classroom teacher, resource teacher und der Schulleitung) aber auch in Bezug auf Elternarbeit, immer zum Wohle und unter Mitbestimmung des Kindes/Jugendlichen, gelegt. Als ein Highlight blieb uns das PCE im Gedächtnis. Hierbei handelt es sich um ein freiwilliges Programm, welches die Schüler auf das College oder den Arbeitsmarkt vorbereiten soll. Das große Ziel der Schule ist, so wurde es uns gesagt, alle Schüler*innen gleichermaßen, ihren Möglichkeiten entsprechend, auf ein autonomes Leben nach der Schule vorzubereiten und allen gleichermaßen gerecht zu werden und weiterhin eine direkte Vorbereitung für den Arbeitsmarkt zu sein.



Leider mussten wir, aufgrund der erneut zweistündigen Fahrt zum nächsten Programmpunkt zeitig wieder aufbrechen.


Miramichi Valley Highschool

Die Miramichi Valley Highschool war aus verschiedenen Gründen interessant zu beobachten. Ganz im Gegensatz zu den bisherigen Schulen, die sich alle auf uns vorbereitet und eingestimmt hatten, wurden wir hier direkt in den Alltag "hineingeschmissen". Der Direktor der Schule war den ganzen Tag sehr beschäftigt und forderte uns auf, uns einfach selbst umzusehen und das mitzunehmen, was uns am interessantesten erschien. Das ließen wir uns nicht zwei mal sagen und nutzten die Gelegenheit, in jedes Klassenzimmer zu schauen, welches auf dem Weg lag.


Die Schule hat ein relativ großes Lehrangebot. Neben den verschiedenen Standardkursen wie Science und Musik gab es auch Modeklassen mit Nähmaschinen für den Gebrauch oder eine Einführung in die Bildbearbeitung mit Photoshop.


Die Miramichi Valley Highschool hat eine große Anzahl an Schüler*innen mit indigenen Wurzeln. Eine Besonderheit ist hierbei, dass sie spezielle Klassen haben, in denen diese Schüler*innen Mi'kmaq (indigene Sprache) lernen können. Leider hat die Schule seit diesem Jahr ihre Mi'kmaqlehrerin nicht mehr, sodass die Schüler*innen auf Computerprogramme angewiesen sind. Hierbei konnte ich beobachten, wie einige den "Sprachunterricht" eher zum Computer spielen benutzten. Insgesamt ist der Ansatz, die indigenen Schüler*innen zusammen zu bringen eher kontraproduktiv, wenn man von einem inklusiven Standpunkt aus betrachtet. Im Gespräch mit anderen Kindern stellte sich auch heraus, dass es eine starke Cliquenbildung in der Schule gibt und die "Natives" eher unter sich bleiben.




Auf die Frage hin, wann es Mittag geben würde und ob wir uns auch in der Caféteria etwas zu essen kaufen könnten, erzählte uns eine Lehrerin, dass wir unbedingt um 11.45 Uhr essen gehen sollten, weil dann die "Special needs kids" essen würden und das doch sicherlich interessant für uns wäre. Nach dieser merkwürdigen Aussage befand ich mich zur besagten Zeit dann in der Mensa. Tatsächlich kamen nach kurzer Zeit zwei Betreuerinnen mit einem Mädchen im Rollstuhl, mit offensichtlicher geistiger Beeinträchtigung, an. Nach kurzer Zeit gesellten sich ein schätzungsweise 15-Jähriger Junge und ein 13-Jähriges Mädchen mit Downsyndrom, eine junge Frau im Autismusspektrum sowie ein 14-jähriger Junge, bei dem ich nicht erkennen konnte, warum er am "Special Needs Tisch" sitzen "sollte". Ich erlebte leider hier das gleiche, was einem in Deutschland auch oft im sonderpädagogischen Bereich passiert: Ich versuchte, mit den Kindern zu reden und bekam immerzu nur Antworten von den Betreuerinnen, obwohl die Schüler*innen eindeutig zu einem Gespräch in der Lage gewesen wären und auch sehr interessiert an mir zu sein schienen.
Warum die Kinder zu einer besonderen Zeit und nicht mit den anderen Schüler*innen zusammen essen würden wurde mir von den Betreuerinnen damit begründet, dass sie vor den anderen Angst hätten. Das wurde nur noch merkwürdiger dadurch, dass nach ungefähr zehn Minuten sowieso alle Kinder zum Essen in die Caféteria gelaufen kamen. Eine inklusive Haltung ist dahinter leider überhaupt nicht zu erkennen.


Eine sehr positive Erfahrung war dafür das "Gay Straight Alliance-Treffen", an dem wir teilnehmen durften. Dabei handelt es sich um einen Club, der von Schüler*innen ins Leben gerufen wurde, die in irgendeiner Art und Weise an dem LGBQIT-Thema interessiert sind. Das ganze wird von einer Lehrerin geleitet und auch von der Schulleitung unterstützt. Es waren um die 15 Kinder hierbei anwesend und es wurde darüber gesprochen, wie man beispielsweise eine Pride Parade an der Schule realisieren könnte und, dass der Club nun bald einen eigenen Raum bekommen sollte. Zwischenzeitlich war sogar ein Teil der Schulleitung anwesend, die das Thema eindeutig mit zu unterstützen scheinen.



Schule 3
- folgt -

Am frühen Nachmittag begaben wir uns aus den verschiedenen Schulen auf den Weg zum Metepenagiag Heritage Park. Hierbei handelt es sich um eine Begegnungsstätte kanadischer Ureinwohner. Hier bekamen wir einen medial stark ausgestalteten Film über die 3000 Jahre alte Geschichte der ältesten und dauerhaftesten Community von First nation People, der sogenannten Mi'kmaq Kultur. Danach schauten wir uns die zugehörige Ausstellung an, in der vor allem alltägliche Gegenstände der indigenen Bevölkerung  aber auch die Geschichte durch viele verschiedene Filme dargestellt wurden.


Anschließend hatten wir noch die Möglichkeit eine kleine Wanderung auf den Spuren der Mi'kmaq zu machen.  Draufhin begannen wir, sehr enttäuscht durch die wenig differenzierte und eindimensional Darbietung  von Inhalten unsere dreistündige Fahrt nach Woodstock.



Gegen 21 Uhr Ortszeit erreichten wir schließlich alle unsere Unterkunft für die heutige Nacht und nutzten die restliche Zeit zum Abendessen, Billard und Karten spielen, Baden im Hotel Pool und für ausführliche Gespräche.

Cynthia & Annika